Vortag
Eintritt ins Kantonsspital St. Gallen, Abteilung Urologie
Es wird ein Zugang in die Armvene gelegt. Blutdruck-Messung, Urin- und Blut-Untersuchung. Alle Werte im Normbereich ausser PSA: 5.8 μg/L
MRI, liege 40 Minuten in der Röhre, nicht unangenehm – nur laut, schlafe trotzdem beinahe ein.
Der Oberarzt der Urologie ist erfreut über die Beschaffenheit meiner Prostata: keine Lappen sondern Wachstum gegen innen; das ist die beste Voraussetzung für eine Embolisation. Volumen der Prostata: 62 ml
Der Radiologe kommt und erklärt mir nochmal den Ablauf, das Ziel und die Risiken.
Tag 0
07:15 Eine Infusion mit Kochsalz-Lösung wird gelegt. Der Assistenzarzt setzt mir einen Blasenkatheter. Der „Durchstich“ durch die Engstelle der Prostata ist sehr schmerzhaft. Dieser Katheter ist der schlimmste Teil der ganzen Intervention. Sehr unangenehm und irgendwie entwürdigend: die ganze Männlichkeit auf ein Gummischläuchlein aufgereiht. Dauernd habe ich das Gefühl urinieren zu müssen und kämpfe gegen den Drang an, meine Blase zu kontrahieren, was das Gefühl nur verschlimmern würde.
07:30 Im Interventionsraum der Radiologie verkabeln mich zwei Pflegerinnen mit diversen Überwachungsgeräten (Blutdruck, Puls, Sauerstoff) und bedecken mich mit vorgewärmten Tüchern. Der Assistenzarzt desinfiziert mehrfach meine Leistengegend. Vor mir über den Beinen ein grosser Bildschirm, seitlich und über mir eine halbmondförmige Schiene mit einem beweglichen Röntgengerät.
08:00 Der Radiologe setzt mit einer Spritze in der rechten Leiste eine Lokalanästhesie. Dieser kleine Stich ist das Einzige, was ich von der Intervention in den nächsten 2 Stunden spüre. Kurz darauf ist der Zugang in die Arterie gelegt, und nun werden die Gefässe mittels Kontrastmittel dargestellt. Immer mal wieder muss ich kurz den Atem anhalten, um die Aufnahmen nicht zu verwackeln. Ich bin bei vollem Bewusstsein und ohne Beruhigungsmittel. Die Ärzte und die Pflegerinnen fragen immer wieder, wie ich mich fühle und erklären, was gerade abläuft.
Der Radiologe schiebt einen Führungsdraht zur Arterie der linken Seite und sucht unter Röntgenkontrolle die feinen Verästelungen, welche die Prostata linksseitig versorgen.
08:30 Der Katheter ist richtig platziert und nun beginnt das Einbringen der Embolisations-Kügelchen. Das dauert 30 Minuten, da die Kügelchen nicht eingespritzt werden dürfen, sondern durch das Blut langsam eingeschwemmt werden müssen. Zeit für ein bisschen Smalltalk mit dem Arzt.
09:10 Nun folgt das gleiche Prozedere auf der rechten Seite der Prostata.
10:00 Die Embolisation ist beendet, der Zugang in die Arterie ist verschlossen. Ein kleiner Druckverband verhindert ein Nachbluten. Ich steige zurück auf mein Bett und werde in mein Zimmer gefahren. Schon im Verlauf des Verschlusses der rechten Seite verspüre ich zunehmend ein Druckgefühl im Unterleib. Nun erhalte ich per Infusion ein Schmerzmittel (Dafalgan).
Trotzdem nehmen die Schmerzen rasch zu. Es fühlt sich an wie ein Wadenkrampf, der sich vom After über den Damm bis in die Penisspitze zieht. Oder fühlen sich so Wehen an? Allerdings wäre ein Wadenkrampf nur ein Krämpflein gegen dieses Gefühl. Die Erklärung: Alarmsignale der Prostata wegen der Unterbrechung der Blutzufuhr. Ich vermute, dass auch der Blasenkatheter zu dieser nervlichen Verunsicherung beiträgt.
12:00 Endlich wird der Blasenkatheter gezogen, was aber keine Verminderung der Schmerzen bringt. Alle paar Minuten zieht sich der Krampf bis zur Blase hin und ein starker Harndrang entsteht. Ich eile jeweils zum WC (mit Infusionsständer in der einen Hand und meinen Penis mit der anderen Hand zusammenkneifend) oder greife nach der Urinflasche. Nach Minuten kann ich einige Tröpfchen hergeben. So bleibt das nun über rund 48 Stunden. Die Schmerzmittel werden erhöht: Novalgin, dann Morphium (leider zu niedrig dosiert, als dass ich rosarote Elefäntchen sehen würde).
Der Urologe und der Radiologe schauen wiederholt vorbei und sind erfreut über meine Schmerzen (wenn man das politisch korrekt so sagen darf, ohne sie als Sadisten abzustempeln). Denn, wie sie mir schon vorher sagten: wer Postembolisationsschmerzen hat, kann auch ein gutes Resultat erwarten. Da sollte meine Prostata gemessen an den Schmerzen ja bald wieder wie mit 20 Jahren funktionieren.
Die Nacht ist endlos lang – sleepless in St. Gallen. Jede Bewegung quittiert der Unterleib mit einem Krampfanfall. Ich schleppe mich aufs Klo oder greife zur Flasche (ich meine die Urinflasche).
Tag 1
Eigentlich sollte ich heute schon entlassen werden. Es muss mich aber niemand überzeugen, noch eine Nacht zu bleiben – zu stark sind die Krämpfe. Ich erhalte jetzt zusätzlich ein Medikament zur Krampflösung der Blase (Spasmo-Urgenin). Alle Ärzte schauen herein: der Stv. Leiter, der Oberarzt und der Assistenzarzt der Urologie, und der Leiter der interventionellen Radiologie, der die Embolisation durchführte. Das nenne ich mal gelebte Interdisziplinarität und Teamwork. Alle sprechen mir Mut zu und betonen den guten Verlauf der Intervention. Na denn: Schmerz lass nach! (wie Onkel Dagobert sagen würde).
Zur Sicherheit wird meine Blase per Ultraschall kontrolliert: nur wenig Restharn vorhanden. So weit so gut. Mein PSA ist auf 200 μg/L gestiegen (nein: kein Kommafehler). Ein Zeichen, dass sich in der Prostata was tut. In der Nacht schlafe ich etwa 3x eine halbe Stunde tief und fest. Einmal mit der halbvollen Urinflasche zwischen den Beinen; zum Glück habe ich mich nicht gewälzt.
Tag 2
Immer noch kämpfe ich tröpfchenweise um Entleerung. Am Nachmittag misst der Assistent die Restharnmenge wieder und gibt Entwarnung. Die Blase ist beinahe leer und ich kann nach Hause. Ansonsten hätte mir ein zweiter Blasenkatheter „geblüht“. Die Nacht bringt zweimal 3 Stunden tiefen Schlaf am Stück mit nur 3 WC-Gängen – nicht schlecht für den Anfang.
Die nächsten Tage
Ich schlucke noch Schmerzmittel (Novalgin), Säureblocker(Pantozol), Entzündungshemmer (Voltaren), a-Blocker (Tamsulosin) und Krampflöser (Spasmo-Urgenin).
Tag 16 Ich stelle eine Verstärkung des Urinflusses fest.
Zum ersten Mal seit 4 Jahren bin ich ohne Medikamente!!!